Silvester- und andere Geräuschangst

Silvester steht schon wieder vor der Tür – und leider sind viele Hunde von Geräuschangst betroffen. Wie viele genau, könnt ihr hier gleich lesen.
In diesem Artikel möchte ich meine eigenen Erfahrungen, Wissen aus Recherchen und Inhalte aus einem empfehlenswerten Vortrag von KynoLogisch – Wissen um den Hund zusammenfassen, um euch zu zeigen, welche Möglichkeiten es gibt, euren Hunden kurzfristig und langfristig zu helfen.

Wie häufig ist Geräuschangst bei Hunden?

Geräuschangst ist unter Hunden weit verbreitet.
Die Zahlen, die man dazu findet, unterscheiden sich je nach Quelle – hier kommt es darauf an, welche Hunde für eine Studie untersucht wurden (bereits auffällige Hunde oder Hunde ohne Vorbelastung) und welche Kriterien herangezogen wurden.

Im Vortrag von KynoLogisch (das sind die aktuellsten Daten, die mir vorliegen) wird von 25–50 % betroffenen Hunden gesprochen. Die häufigsten Auslöser sind Feuerwerk, Schüsse und Gewitter.

Welche Hunde sind besonders betroffen?

Spannend ist, dass Mischlinge und Tierschutzhunde am häufigsten betroffen sind, während Hunde, die beim Züchter bleiben bzw. präventiv trainiert wurden, deutlich seltener Angst zeigen. Das zeigt, wie wichtig präventives Training in der Sozialisierungsphase ist – also dem jungen Hund schon viele verschiedene Umweltreize zu zeigen.

Auch die Gene spielen eine Rolle! Hütehunde sind häufiger betroffen als zum Beispiel Molosser.


Das macht insofern Sinn, da Hütehunde dafür gezüchtet wurden, um aufmerksam und sensibel auf Reize zu reagieren, während Molosser eher dafür gemacht wurden, sich nicht leicht beeindrucken zu lassen.

Die Angst vor Geräuschen ist übrigens evolutionsbiologisch sinnvoll, da sie auf einem angeborenen Überlebensinstinkt basiert. Plötzliche, laute Geräusche können in der Natur Gefahr signalisieren, was automatisch eine Angstreaktion, wie Flucht, auslöst.

Häufigkeit nach Herkunft oder Rasse

Besonders häufig betroffen:

  • Mischlinge

  • Tierschutzhunde

Häufig betroffen:

  • Hütehunde

Seltener betroffen:

  • Laufhunde, Schweißhunde, Retriever, Gesellschafts- und Begleithunde

Wenig betroffen:

  • Molosser (doggenartige Rassen)

Rasseunabhängig seltener betroffen:

  • Hunde, die beim Züchter bleiben

  • Hunde, die als Welpe präventiv trainiert wurden

Warum Geräuschangst so komplex ist

Geräuschangst ist komplex, weil viele Faktoren zusammenspielen:

  • Genetische Veranlagung (Rasseunterschiede, Sensibilität)

  • Umwelt und Sozialisation (Züchter vs. Shelter, traumatische Erlebnisse)

  • Evolutionsbiologische Faktoren

Darum ist Geräuschangst – und generell Angstverhalten – eines der langwierigsten Themen im Hundetraining und braucht viel Geduld, Verständnis und Durchhaltevermögen.

Der beste Fall ist natürlich, schon vor der Anschaffung eines Hundes zu überlegen, welcher Hund ins eigene Leben und Lebensumfeld passt.
Am besten lässt man sich dabei von einer Hundetrainerin beraten, damit sehr sensible oder ängstliche Hunde gar nicht erst in eine laute, reizüberflutete Umgebung geraten müssen.

Was tun, wenn der Hund schon Angst hat?

Zuerst gilt es zu unterscheiden:

  • Reagiert der Hund schon immer sensibel auf Geräusche?

  • Oder ist die Angst plötzlich aufgetreten?

Wenn die Angst plötzlich auftritt, können medizinische Ursachen wie Schmerzen oder Hörverlust dahinterstecken.

Manchmal lässt die Angst bei Hörverlust nach, weil das Geräusch nicht mehr wahrgenommen wird – manchmal wird sie aber auch schlimmer, weil der Hund die Quelle nicht mehr richtig orten kann. In jedem Fall sollte ein Tierarzt aufgesucht werden, um medizinische Ursachen auszuschließen.

Management – wenn Training (noch) nicht möglich ist

Wenn die zeit zu kurz für nachhaltiges Training ist, bleibt als erste Maßnahme das Management. Das bedeutet, wir verändern die Situation so, dass sie für den Hund so gut aushaltbar wie möglich wird.

Leider sind Hunde mit ausgeprägter Geräuschangst oft schon vor Silvester eingeschränkt. Meine Hündin z. B. lebt in Wien, und ich merke schon ab Halloween, dass sie in der Dämmerung unruhiger wird, weil teils wird da schon geböllert.


Ich bin überzeugt, dass Hunde auch die „Stimmung“ dieser Jahreszeit aufnehmen – sie wissen einfach: Es geht bald wieder los.

Wie erkenne ich Angst beim Hund?

Sich mit der Körpersprache seines Hundes zu beschäftigen, ist immer wichtig.
Viele Menschen tun sich schwer, Angstsignale richtig zu deuten.
Hier einige häufige Anzeichen auf die du achten kannst. Je früher du die Signale erkennst, desto früher kannst du deinen Hund unterstützen:

  • große Augen

  • Hecheln

  • übermäßiges Sabbern

  • Zittern oder Schütteln

  • Kratzen oder Lecken

  • Verstecken oder Zusammenkauern

  • anhängliches Verhalten

  • Ausreißversuche

  • übermäßiges Bellen

Zum Management gehören:

  • Vermeiden der Situation (schon vor Silvester)

  • Sicherer Rückzugsort

  • Geräuschkulisse übertönen

  • Reize von außen minimieren

  • Soziale Unterstützung

  • Medikamentöse Unterstützung

1. Vermeiden der Situation

Schon einige Tage vor Silvester Spaziergänge an ruhigen Orten planen, früh rausgehen und Abende mit Feuerwerk möglichst meiden.

Wenn möglich, Silvester an einem ruhigen Ort verbringen – etwa bei Freunden auf dem Land, in einer Hütte oder in einem Flughafenhotel… 

Wichtig: Sicher deinen Hund extra gut  – mit z.B. Sicherheitsgeschirr, doppelt geführt (Halsband + Geschirr) und idealerweise GPS-Tracker.

2. Sicherer Rückzugsort und Reize minimieren

Ein ängstlicher Hund sollte nicht alleine bleiben! 

Am besten Fenster und Vorhänge schließen, den Raum abdunkeln, und den Hund dort lassen, wo er sich sicher fühlt. Oft sind das Badezimmer oder Flure ohne Fenster, manchmal eine geschlossene Box.

Gestalte den Ort gemütlich und biete Lieblingssnacks an! Meine Hündin bekommt einmal im Jahr zu Mitternacht einen richtig echten Fleischknochen, den sie mit auf ihren Schlafplatz nimmt – im Schlafzimmer mit schweren Vorhängen, die Licht und Lärm dämpfen. Das kauen am Knochen sorgt für zusätzlichen Stressabbau.

3. Geräusche übertönen

Vertraute Geräusche wie Fernseher oder Musik können helfen, wenn sie positiv besetzt sind. Z.b. du und dein Hund  kuschelt immer beim Fernsehen auf der Couch. 

Diese Art der Konditionierung wir auch gezielt im Entspannungstraining genutzt: Der Hund verbindet eine vertraute Geräuschkulisse mit Entspannung.

Zum gezielten Soundmasking eignen sich vor allem Brown Noise, White Noise oder Taiko-Trommeln sehr gut – probier hier aber rechtzeitig aus, was für deinen Hund funktioniert.

4. Soziale Unterstützung

Wenn möglich, den Hund zu Silvester nicht alleine lassen! Wenn er Nähe sucht, diese unbedingt zulassen!

Dass man Angst durch Zuwendung verstärkt, ist längst widerlegt.

Angst ist eine Emotion – und die kann man nicht verstärken.
Was man verstärken kann, ist Verhalten – z. B. Betteln am Tisch.
Du solltest es sogar als Kompliment sehen, wenn dein Hund zu dir kommt, er zeigt dir Vertrauen – du bist sein sicherer Hafen.

5. Medikamentöse Unterstützung

Wenn du das Gefühl hast, nichts hilft mehr, such rechtzeitig einen Tierarzt auf, der sich mit Verhalten auskennt.

Bei sehr ängstlichen Hunden kann eine medikamentöse Unterstützung hilfreich sein – denn Lernen ist nur möglich, wenn der Hund sich emotional überhaupt regulieren kann.

Hinweis zu alternativen Produkten

Auf Hilfsmittel wie Thundershirt oder Ohrenschützer gehe ich hier nicht näher ein, da ich dazu keine wissenschaftlich fundierten Studien gefunden habe, nur Halterbefragungen. 

Aber nun zum Training

Beim Training von Geräuschangst gehen Desensibilisierung und Gegenkonditionierung Hand in Hand. Hier eine kurze Erklärung:

  • Desensibilisierung bedeutet: eine schrittweise Annäherung an den Auslöser – so klein, dass keine Angst auftritt.

  • Gegenkonditionierung bedeutet: der Auslöser kündigt etwas Tolles an – z.B. ein Lieblingsleckerli.

Praktische Beispiele

Nehmen wir an ein Hund hat Angst vor Knallgeräuschen. In diesem Fall würde ich wie folgt vorgehen. Als erstes bringe ich dem ängstlichen Hunden gern bei, selbst Geräusche zu machen.

Beispiel: Ein Hartplastikbecher liegt auf dem Teppich, darunter ein Keks.
Wenn der Hund den Becher bewegt, entsteht ein Geräusch – und der Hund wird sofort belohnt. Der Hund lernt, er kann selbst Geräusche machen und es passiert was positives, wenn er das tut. Diese Übung mache wir so lange, in verschiedenen Variationen - ruhig kreativ werden - bis er keine Angstreaktion mehr auf selbstverursachte Geräusche zeigt. Wenn das der Fall ist beginnen wir ein

Alternativverhalten aufzubauen.

Überlege, was dein Hund tun soll, wenn er ein lautes Geräusch hört.
Das sollte etwas sein, das er liebt:

  • Futter suchen

  • Spielen

  • Apportieren

  • Blickkontakt aufnehmen …

Dieses Verhalten muss in allen anderen Situationen zu 99,9 % funktionieren, bevor du es mit Geräuschen kombinierst.

Wenn das Alternativverhalten gut aufgebaut ist, in diesem Beispiel eine Futtersuche, beginne ich, gezielt mit Geräuschen zu üben.

Am besten funktioniert das mit einer zweiten Person, die in sicherem Abstand zum Hund steht und z. B. einen Schlüsselbund fallen lässt oder Dosen und Flaschen in den Altglascontainer wirft – während der Hund in Ruhe Leckerli suchen darf.

Zeigt der Hund dabei kein Angstverhalten, können wir Schritt für Schritt näher an die Geräuschquelle herangehen. Das Ziel ist, dass der Hund schließlich entspannt neben dem Container sitzen kann, während die Flaschen hineinfallen.

Bleibt er dabei ruhig und unbeeindruckt, gehen wir einen Schritt weiter in Richtung des eigentlichen Angstauslösers, also des Knalls.
Dazu kann man Geräusche über eine Bluetooth-Box abspielen – am besten im .wav-Format (die Klangqualität ist realistischer als bei .mp3-Dateien).

Reagiert der Hund auf das Geräusch, üben wir mit der Box weiter und steigern die Lautstärke in kleinen, sicheren Schritten. Zeigt er Anzeichen von Unsicherheit oder Meideverhalten, gehen wir sofort einen Schritt zurück – dorthin, wo er wieder ruhig fressen oder suchen kann.

Später kann man mit Blasenfolie, Papiertüten, Luftballons, Knallerbsen und – ganz am Ende – mit echten Knallkörpern arbeiten.

Wichtig ist, dass jede Steigerung fein dosiert und positiv begleitet wird.

Ein Schritt nach dem anderen

Ihr seht, wie kleinschrittig dieses Training aufgebaut ist – und wie viel Zeit und Unterstützung es braucht, am besten mit einer zweiten Person.
Wenn du dir unsicher bist oder Unterstützung brauchst, melde dich gerne bei uns – gemeinsam können wir einen Trainingsplan entwickeln, der zu deinem Hund passt.

Tipp zum Schluss

Auch wenn dein Hund gar keine Angst vor Geräuschen hat:
Belohne ihn für jedes laute Geräusch, dem ihr begegnet – so bleibt seine Gelassenheit auch in Zukunft erhalten.

Quellen

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